Karadikkal-Tag am Evangelischen Gymnasium 22.06.10| MEINERZHAGEN ▪ Die Schule ist „aus“, der Elfjährige kommt nach Hause

Zusammen mit den Müttern und Kindern kochte die Inderin Mercy Fernandez Reis mit Linsen.
Der Magen knurrt. „Was gibt's heute?“ „Linsen mit Reis.“ Ohne Prophet zu sein – Mutters Mittagsmahl wird weder bei unserem Fünftklässler noch bei bei den meisten anderen Kids Begeisterung auslösen. Anders in Indien. Linsen mit Reis sind dort eine normale Mahlzeit, die sich oft aber nur die Familien leisten können, in denen auch die Kinder arbeiten. Deshalb wird so mancher elfjährige Inder mittags auch kaum aus der Schule kommen, sondern zum Beispiel aus dem Steinbruch.
Um auf die Armut und Kinderarbeit in Indien aufmerksam zu machen, veranstaltet das Evangelische Gymnasium Auf dem Bamberg alljährlich einen „Karadikkal-Tag“ – heute war es wieder so weit. Schüler der fünften Klassen trafen sich morgens zum Steineklopfen unter Aufsicht der Lehrer. Anschließend konnten sie ihre sauer verdienten Rupien auf einem klei-nen Markt in der Aula ausgeben. Für Linsen und Reis reichte das Geld gerade – Luxuswaren wie Cola und Konserven blieben jedoch begüterten „Indern“ wie dem Steinbruchbesit-zer vorbehalten.
Lehrer Rainer Augustin hatte auch diesen Karadikkal-Tag wieder vorbereitet. Den Klassenlehrern wie Katharina Wnuk fiel die Aufgabe zu, das Erlebte im Unterricht zu vertiefen. „Das ist ja alles total ungerecht. Vielleicht sterben die Kinder bei der harten Arbeit.“ „Wenn ich eine Tochter hätte, die würde ich nicht in den Steinbruch schicken.“ „Bei dieser Arbeit wird man ja überhaupt nicht gebildet.“ Das waren nur einige Meinungen, die die Fünftklässler nach der Aktion äußerten. Jan, Phil, Ben und alle anderen aus Katharina Wnuks Klasse waren sich jedenfalls einig: „Nein, tauschen mit den Kindern in Indien – das würden wir nie im Leben.“


„Doch was können wir tun, um zu helfen?“ „Spenden oder eine Patenschaft übernehmen“, schlugen die Kinder auf Nachfrage ihrer Lehrerin vor. Und genau das tun Schüler, Lehrer und Eltern am Gymnasium regelmäßig. 4000 Euro kommen so pro Jahr zusammen. Mit diesem Geld wird die Sri Meenakshi Girls Higher Secondary School im südindischen Karadikkal unterstützt. Seit 20 Jahren sichern die EGM-Aktionen 50 Internatsschülerinnen den Schul-besuch und legen so den Grundstein für eine bessere Zukunft der Mädchen.
Reis mit Linsen – das bekamen die Fünftklässler heute Mittag im Gymnasium übrigens tatsächlich serviert. Unter Anleitung der gebürtigen Inderin Mercy Fernandez kochten Mütter dieses original indische Gericht, das allen schmeckte. Denn: Das eigentlich einfache Essen wurde „kindgerecht“ aufgepeppt – mit Ghee (geklärte Butter) und einer Menge leckerer Gewürze wie Ingwer, Knoblauch, Safran, Kümmel, Senfkörnern, Curryblättern und Kokosmilch. Diese „Luxusversion“ von Reis mit Linsen gibt es in Indien übrigens nur an Festtagen.▪ beil


Meinerzhagener Zeitung Artikel publiziert am: 22.06.10 Datum: 28.12.2010 - 10.39 Uhr Quelle: http://www.come-on.de/nachrichten/maerkischer-kreis/meinerzhagen/karadikkal-tag-evangelischen-gymnasium-813865.html